Die Zollbeamtin Elke Twesten gibt mit ihrem Wechsel von den Grünen zur CDU ein Beispiel für den diskreten Charme der Bourgeoisie.


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Das Grundgesetz und die Landesverfassungen billigen dem Abgeordneten die Freiheit des Gewissens zu - damit ist aber nicht die Freiheit gemeint, sich wie eine Verräterin zu benehmen. Schon klar: Es gehört sich nicht, so harte Worte zu gebrauchen. Wir sind ja alle zivilisiert. Wir zähmen unseren Zorn. Gerade in der Politik. Und das ist auch gut so. Aber manchmal reicht's echt. Einen derart gewissenlosen Egoismus, wie ihn die gelernte Zollbeamtin Twesten mit ihrem plötzlichen Wechsel von den Grünen zur CDU an den Tag legte, erlebt man selten.

Kurz vor der Bundestagswahl stürzt nun in Niedersachsen eine rot-grüne Landesregierung. Dadurch wird die gesamte bundespolitische Landschaft verzerrt. Und es gibt dafür keinen anderen Grund als die Eitelkeit einer Abgeordneten aus dem Landkreis Rotenburg/Wümme. Sie hat sich nicht einmal Mühe gegeben, ein gutes Alibi zu finden. Auf die Frage, was ihr denn am Kurs der rot-grünen Landesregierung nicht gepasst habe, antwortete sie einer Zeitung allen Ernstes: "Nehmen Sie das Thema Wolf."

Thema Wolf? Irgendwie gibt es Probleme im ländlichen Bereich mit Wölfen und Tierhaltern, und sie ist in der Fraktion damit nicht durchgedrungen. Das ist ebenso unsinnig wie das wahre Motiv erbärmlich ist: gekränkte Eitelkeit. Frau Twesten war für die kommende Landtagswahl, die im Januar 2018 stattfinden sollte, in ihrem Kreisverband nicht berücksichtigt worden. Bei einer Pressekonferenz lässt sie keinen Zweifel: "Ich sehe bei den Grünen weder vor Ort noch im Land eine politische Zukunft." Ihre Partei wollte sie nicht mehr - da hat sie sich eben eine andere gesucht.

In Artikel 12 der Niedersächsischen Landesverfassung heißt es - analog zu Artikel 38 des Grundgesetzes: "Die Mitglieder des Landtages vertreten das ganze Volk. Sie sind an Auftrage und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Aber bei Frau Twesten geht es gar nicht um das Gewissen. Es geht um Geltungssucht. Es gibt keinen rot-grünen Regierungsbeschluss, den Frau Twesten nicht mittragen wollte - das Einzige, was sie nicht mittragen wollte, war ihre Absetzung. Als die Verfassungsväter das freie Mandat einführten, hatten sie verantwortungsvolle Abgeordnete vor Augen - keine Egoisten.


In ihrer Ansprache sagt die Überläuferin: "Ich habe eine bürgerliche Grundstruktur und muss mich in der Union nicht verbiegen." Ja, das gehört zum diskreten Charme der Bourgeoisie: Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten. Frau Twesten hat nämlich auch erklärt, sie sei ohnehin schon seit Langem eine bekennende Anhängerin von Schwarz-Grün. Damit liegt sie voll im Trend der Zeit. Wenn man es genau nimmt, hätte sie ihre Partei nicht verlassen müssen: Der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann muss gerade von einem Gericht zum Umwelt- und Gesundheitsschutz gezwungen werden - wie irgendein x-beliebiger Konservativer.


Dass eine Person wie Twesten überhaupt Aufnahme bei der CDU findet, spricht allerdings Bände über das Pflichtverständnis dieser Partei. Ist in der CDU Platz für politische Illoyalität? In ihrer Ansprache sagt die Überläuferin: "Ich würde mich über das weitere Vertrauen von Ihnen, meine Wählerinnen und Wähler, sehr freuen." Sehr lustig. Es ist ja nun gerade jenes kostbare politische Gut - Vertrauen - das hier restlos verspielt wurde. Weder ihre Wähler noch ihre neuen Parteifreunde werden dieser Frau jemals wieder vertrauen können.
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