Donald Trump sagt - und twittert - vieles, was faktischer
Überprüfung nicht standhält. Man hat sich fast daran gewöhnt, zuckt mit den
Schultern, weiß, dass das meiste ja sowieso nur an seine leichtgläubige Basis
adressiert ist.
Allen voran diese Lüge: "Meine erste Amtshandlung als
Präsident war es, unser Nukleararsenal erneuern und modernisieren zu
lassen", tönte der US-Präsident auf Twitter, kurz nach seiner ersten,
verbalen Drohung gegen das Regime in Pjöngjang. "Es ist nun viel stärker
und mächtiger als je zuvor." Diese Follow-up-Warnung ließ die Spannungen
nur noch weiter eskalieren.
Doch nichts an der Behauptung stimmte. Sie war nur Wortsalat,
offenbar ebenso frei improvisiert wie Trumps "Feuer und Wut"-Rede
zuvor. Was bewies, wie nonchalant er mit dem unvorstellbaren Gedanken eines
Nuklearkriegs umgeht - ausgerechnet am 72. Jahrestag des Atombombenangriffs auf
Nagasaki.
Wohlgemerkt: Das jahrzehntealte US-Nukleararsenal hat
apokalyptische Macht, und selbst Flunkereien über seinen Zustand können eine
Krise zur Katastrophe machen. Doch weder hat Trump es modernisieren lassen,
noch ist es "viel stärker und mächtiger als je zuvor". Im Gegenteil:
Diejenigen, die Amerikas Endzeitwaffen pflegen, scheinen zurzeit gefährlich
überfordert.
Atomexperte Jeffrey Lewis vom Middlebury Institute of
International Studies war nicht der Einzige, der Trumps Atom-Tweet
"absurd" nannte. "Nirgends kommt dieses Statement der Realität
nahe", sagte er der "Washington Post".
In der Tat lässt sich Trumps Provokation Wort für Wort
auseinandernehmen
1. Trumps "erste Amtshandlung als Präsident",
unmittelbar nach seiner Antrittsrede, hatte nichts mit Atomwaffen zu tun,
sondern war ein Dekret, das die Demontage der Gesundheitsreform seines
Vorgängers Barack Obama einleiten sollte. Erlass Nr. 13765 war freilich rein
symbolisch: Alle Versuche, Obamacare zu kippen, scheiterten im Kongress.
Auf Nachfrage verwies das Weiße Haus auf ein Memo, das Trump
eine Woche später unterzeichnete. Darin wies er das Pentagon an, dafür zu
sorgen, dass das Atomarsenal "modern, robust, flexibel, belastbar, bereit
und angemessen" sei. Dieser schwammig definierte "Nuclear Posture
Review" - Routine für jeden neuen Präsidenten - begann im April und dauert
noch mindestens bis Ende dieses Jahres. "An unseren nuklearen Sprengköpfen
oder Bomben hat sich nichts verändert, was sie mächtiger machen würde",
sagt Todd Harrison, Verteidigungsexperte am Center for Strategic and
International Studies, gegenüber "Bloomberg".
2. Der letzte konkrete Anstoß, die US-Atomwaffen aufzumotzen,
kam nicht von Trump - sondern von Obama. Der initiierte 2010 eine
Modernisierung des betagten Arsenals, die, auf rund 30 Jahre veranschlagt, bis
zu eine Billion Dollar kosten soll. Das nicht unumstrittene Programm - das
unter anderem die Entwicklung einer neuen Klasse atomgetriebener U-Boote vorsieht
- kommt jedoch größtenteils erst ab 2022 zum Tragen.
Einstweilen schrumpft das US-Arsenal an strategischen
Atomwaffen (ICBM) sowieso weiter: "Die Größe unserer ICBM-Bestände",
bestätigt Harrison, "hat sich verringert." Und zwar dank des letzten,
Anfang 2011 verabschiedeten "New Start"-Vertrags, in dem USA und
Russland vereinbarten, die Zahl ihrer einsatzfähigen strategischen Atomwaffen
auf je 1550 zu reduzieren.
3. Der von Trump behauptete Top-Zustand der US-Atomwaffen
lässt sich noch aus einem anderen Grund anzweifeln. Zwar ist das Pentagon für
ihre Lagerung und ihren Einsatz zuständig, über das Strategic Command in
Nebraska. Doch Entwicklung, Design, Produktion und Tests obliegen dem
Energieministerium - eine wesentliche Tatsache, die sowohl Trump wie auch
seinem neuen Energieminister Rick Perry zunächst wohl unbekannt war.
Perry, ein Ex-Gouverneur von Texas, hatte im Wahlkampf sogar
verkündet, das Energieministerium abschaffen zu wollen. Medienberichten zufolge
war er nun schockiert, dass er auch für die Nuklearwaffen verantwortlich ist:
Zwei Drittel seines 30-Milliarden-Dollar-Haushalts entfallen auf deren Schutz
und Instandhaltung - darunter die konstante Überwachung des Uran- und
Plutonium-Materials, damit es nicht in falsche Hände gerät.
Perrys Vorgänger Ernest Moniz, ein Atomphysiker, hatte sich
nach Trumps Wahl angeboten, die komplexe Materie ordentlich zu übergeben. Doch
die neue Regierung war daran nicht interessiert und feuerte einen Großteil der
Belegschaft. Bis heute sind viele Ministeriumsstellen verwaist - darunter in
der Atomwaffen-Abteilung.
Comentarios
Publicar un comentario