Fragen Sie Frau Sibylle: Silicon Valley, bitte übernehmen!

S.P.O.N. - 

Eine Kolumne von Sibylle Berg
Wir sind das Volk. Und deshalb wollen wir auch entscheiden. Doch ist das immer die beste Idee? Vielleicht in Island, aber sonst eher nicht. Besser wäre eine Weltregierung der Megabrains.
Oh weh - das Volk, das Volk - wie kann es nur auf einmal so voller Hass sein? Das süße Volk, so egoistisch, kleingeistig, böse, das Volk, das wunderbare Volk. Das wir alle sind, dieses Volk, zu dem keiner gehören will, es sei denn, es geht gegen Politiker oder die Medien oder das Wetter. Wir, Volk, haben ein besseres Wetter verdient. Wir, Volk, holen unsere Mistgabeln aus dem Keller und stürmen die Wolken.
Seien wir ehrlich: Ich hier, Sie am anderen Ende des Computers - wir sind nichts. Wir sind Spachtelmasse im Lauf des Zeitgeschehens. Hätten wir Superhirne, wären wir damit beschäftigt, Roboter zu entwickeln, Bypässe zu legen oder Weltformeln zu errechnen. Wir sind statistisch intellektuelles Mittelmaß, und das taugt zu nichts Besonderem (Ruhe, Sie da, in der Unterhose!).
Die meisten sind sich doch sicher, dass die Welt um sie und ihre Lieben kreist. Böse Nachricht: zwingendes Indiz für Einfalt. Böse Nachricht zwei: tut sie nicht.
Wir, das Volk, waren schon immer doof. Früher verbrannte man Frauen, weil sie rote Haare hatten (leises Hüsteln), ertränkte den Dicken im Dorf. Das Volk steinigt Menschen, es verbrennt Menschen, es zündet Menschenunterkünfte an, die Gerichte sind voller unbearbeiteter Nachbarschaftsstreitigkeiten, die Anzeigen gegen unbekannte Falschparker blockieren die Systeme armer PolizistInnen. Die meisten, halten wir mit Traurigkeit fest, sind nur an sich selbst interessiert, und nicht an etwas abstraktem wie: der Menschheit, der Zukunft, dem Klima, dem Welthandel.
Das Volk über zukunftsweisende Entscheidungen abstimmen zu lassen und sich auf die Schwarmintelligenz zu verlassen, das ist eine sehr einfältige Idee. Sie kann nur funktionieren, wenn ein Land sehr klein ist und die Information und Bildung der Stimmberechtigten überdurchschnittlich. Das funktioniert meines Erachtens ausschließlich in Island. Selbst in der geordneten, wohlhabenden Schweiz gelingt es populistischen Parteien, die auch nur an sich denken, das Volk mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner aller politischen Entscheidungen (der immer heißt: Du, Mensch, bist das Zentrum des Universums) zu manipulieren.
Doch die Politik ist auch nicht besser
So, erste Botschaft meines Aufsatzes - Das Volk ist bescheuerter als wir glaubten - ist angekommen.
Nun die nächste Frage: Sind PolitikerInnen klüger, weiser, umsichtiger als die diversen Völker, deren Regulativ sie sein sollen? Im Zweifel leider: nein.
Es ist erstaunlich, denn bei all den Fortschritten, die immer wieder von einzelnen, ForscherInnen, Wissenschaftlerinnen, erzielt werden, scheint sich der Intellekt der PolitikerInnen weltweit nicht wesentlich vom Durchschnitt derer, für deren Leben sie verantwortlich zeichnen, abzuheben. Arrogant, selbstgefällig, machtgeil die meisten, die wenigen Ausnahmen werden von der Mehrheit des politischen Mittelmaßes flach gehalten.

Und daraus kann nur folgen: Es bräuchte eine Weltregierung, die sich aus Megabrains zusammensetzt. Koryphäen aus der Wissenschaft, aus der Forschung. Sorry, Silicon Valley, ihr müsst jetzt ran. Die globalisierte Welt braucht vernetzt denkende Gehirne, um sie vor dem Untergang zu bewahren.Jedes Land fummelt mit seiner eigenen Beschränktheit herum. Kaum jemandem gelingt das Kunststück, global zu denken; letztes Beispiel, das mir dazu einfällt: Bundeskanzlerin Merkels "Wir schaffen das" - ohne dass sie dem kollektiven Wir mitzuteilen gedachte, WIE.

Schade ist nur, dass die wirklich Klugen meinen mittelklugen Aufsatz nicht lesen werden. Na dann halt. Wursteln wir weiter, kochen unsere kleine Egoistensuppe, streicheln die Mistgabeln, pöbeln auf der ersten Oberfläche des Internetz. Einen angenehmen Sonntag Ihnen allen.

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