Hans Magnus Enzensberger erinnert sich an ein Jahr als teilnehmender Beobachter im Kuba des Fidel Castro (1926 bis 2016), des allwissenden Hirten der Revolution, der auch ein Experte für Viehzucht war.
Im Frühjahr 1968 war Enzensberger zusammen mit linken Intellektuellen aus aller Welt zu einem Kulturkongress nach Havanna gereist. Während die kritischen Denker um ihn herum sich mit Grußadressen und Bewunderungsäußerungen begnügten, bot Enzensberger den regierenden Kommunisten an, im Herbst wiederzukommen, die Einheimischen politisch zu schulen und Emissäre des kleinen Landes fit zu machen für den Feindkontakt. Die Machthaber freuten sich, und ein paar Monate später reiste Enzensberger erneut an. Der Dichter war bald entsetzt über den Alltag auf einer Insel, die er für ein sozialistisches Paradies gehalten hatte und die sich für die Bevölkerung als Geiselhaft unter einem selbstherrlichen Führer entpuppte. Damals wettete Enzensberger, der nur drei Jahre nach Castro geboren wurde und heute 87 Jahre alt ist, wer von ihnen beiden länger leben würde, der Diktator oder der Dichter. Enzensberger setzte auf sich selbst und hat gewonnen. Er schreibt uns dazu: „Komischerweise empfinde ich keine Triumphgefühle. Meine Rachsucht ist im Laufe der Jahre erloschen.
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