GASTBEITRAG Sich mit Oligarchen anlegen

GASTBEITRAGSich mit Oligarchen anlegen

 Von KATJA KIPPING
Katja Kipping ist Ko-Vorsitzende der Partei Die Linke.  Foto: imago
Damit Deutschland gerechter wird, ist eine Erbschaftssteuer von 90 Prozent auf Vermögen ab zehn Millionen Euro nötig.
Nach monatelangem Gezerre haben sich Union, SPD und Grüne im letzten Moment auf einen Kompromiss zur Regelung von Erbschaften und Schenkungen von Unternehmen verständigt. Das Ergebnis: Auch in Zukunft werden in Deutschland die Sprösslinge der Superreichen in Watte gepackt. Dabei ist die Ungleichheit in keinem Land der Eurozone so extrem wie in der Bundesrepublik. Union und SPD zementieren diesen fiskalpolitischen Wahnsinn nun mit ihrem neuen Gesetz. Der Bundestag hat dem Kompromiss bereits gegen die Stimmen der Fraktion der Linken zugestimmt, der Bundesrat wird dem wohl heute folgen.
Was von der großen Koalition und den Grünen selbstzufrieden als Durchbruch verkauft wird, bleibt eine verfassungsrechtlich fragwürdige Bevorzugung der Reichen: Weiterhin können bis zu 26 Millionen Euro steuerfrei übertragen werden – ohne jede Bedürftigkeitsprüfung! Und bei größeren Unternehmen berücksichtigen die Prüfungen nur das Vermögen des Empfängers, nicht aber das Vermögen des Erblassers. Riesenvermögen im dreistelligen Millionenbereich können steuerfrei übertragen werden, ohne allerdings nachweisen zu müssen, dass Arbeitsplätze oder die Unternehmensfortführung gefährdet wären.
Fakten widerlegen zudem die Krokodilstränen der deutschen Oligarchen-Kinder. Der Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist durch die Erbschafts- oder Schenkungssteuer nicht bedroht: So sind alleine von 2011 bis 2014 von insgesamt 144 Milliarden Euro steuerfreien Unternehmensübertragungen 37 Milliarden Euro an Minderjährige geflossen – durchschnittlich 327 Millionen Euro! Hier erhalten Kinder Summen, die den Haushalt deutscher Großstädte übersteigen!
Wer die massive Ungleichheit abschaffen will, muss sich mit den Oligarchen anlegen. Was mir vorschwebt ist kein fiskalpolitisches Jakobinertum. Der renommierte Ökonom Guy Kirsch fordert eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent. Kirsch ist mitnichten Kommunist, sondern Liberaler. Auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt vor steigender sozialer Ungleichheit. Um die gewaltigen Vermögen abzuschöpfen, empfiehlt Fratzscher eine Änderung der Erbschaftssteuer. Das deckt sich mit den Beobachtungen des Elitenforschers Michael Hartmann, der immer wieder betont, dass soziale Ungleichheit in Deutschland vererbt wird.
Konsequent und gerecht wäre eine Erbschaftssteuer von 90 Prozent auf jeden Euro oberhalb von zehn Millionen Vermögen – unabhängig davon, ob dieses aus Betriebsvermögen oder in Form von Bargeld oder Luxusgütern besteht. Dieser Steuersatz beträfe gerade einmal 0,2 Prozent aller Vermögensübertragungen, die allerdings von ihrem Volumen fast die Hälfte aller Vermögensübertragungen ausmachen. Auch dies zeigt die ungeheure Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens in unserer Gesellschaft an!
Den glücklichen Erbinnen und Erben eines millionenschweren Unternehmens könnten wir überdies auch eine Wahlmöglichkeit einräumen: Entweder wird die Erbschaftssteuer aus dem übrigen Vermögen gezahlt, großzügige Zahlungsmodalitäten könnten dabei durchaus gewährt werden, oder die Erbschaft wird entsprechend des Geldwertes in Belegschaftseigentum umgewandelt. Letzteres wäre mehr als angemessen, da die Beschäftigten erheblich zu dem Reichtum beigetragen haben. Entscheidet sich ein reicher Firmenerbe für diese Variante, würde er damit zugleich mehr Wirtschaftsdemokratie wagen. Während unser bestehendes Erbschaftsrecht dazu führt, dass der Reichtum sich in immer wenigen Händen konzentriert, würde eine verstärkte Umwandlung von Erbschaften von Unternehmensanteilen in Belegschaftseigentum auch die Demokratie stärken.
Eine starke Erbschaftssteuer könnte auch das überkommene Wachstumsdogma kapitalistischer Ökonomie: „Höher-schneller-weiter“ bremsen. Das volkswirtschaftlich sinnlose Anhäufen von Geld, das Finanzkrisen produziert und seit Jahrhunderten durch Ausbeutung von Arbeitskraft und den Ressourcen des Planeten geschieht, könnte mit Hilfe des Steuerrechts eingegrenzt werden.

Comentarios