Belgische BlockadeEin Lob den Ceta-Feilschern
Indem sie Ceta blockieren, schädigen belgische Politiker angeblich die Demokratie. Doch ohne Widerstand wäre das Abkommen nie so fortschrittlich geworden, wie es ist.
en!" - dieser Slogan der Satiretruppe "Die Partei" könnte über dem aktuellen Streit um das europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta stehen. Politiker verschiedener Lager schimpfen über ihre Kollegen in der Wallonie und anderen belgischen Regionen. Mit ihrer Blockade des fortschrittlichsten Handelsabkommens aller Zeiten hätten sie die EU blamiert oder gar deren Zerstörung vorangetrieben. Warum die Belgier Nein sagen, scheint kaum noch zu interessieren. Sollen sie halt endlich Ja sagen!
Doch der Blick auf die Inhalte von Ceta lohnt mehr denn je. Er zeigt, dass es tatsächlich ein vergleichsweise fortschrittliches Abkommen ist. Er zeigt aber auch, dass es viele dieser Fortschritte ohne den Druck von Kritikern und Änderungen in vermeintlich letzter Minute nie gegeben hätte. Das gilt besonders für den öffentlichen Investitionsgerichtshof, der die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Investoren ersetzt. Er wurde erst nach Ende der offiziellen Verhandlungen und nicht zuletzt auf Druck von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ins Abkommen geschrieben.
Die Wallonen haben beschlossen, dass ihnen die bisherigen Nachbesserungen nicht reichen. Kritiker werfen ihnen deshalb Egoismus vor: Gut drei Millionen Wallonen schwängen sich zum Verhandlungsführer von 500 Millionen EU-Bürgernauf. Doch abgesehen davon, dass natürlich auch die übrigen Europäer nicht geschlossen für Ceta sind: Die wallonische Regierung hat ein Mitspracherecht genutzt, das ihr ausdrücklich zustand.
Ein weiterer Vorwurf lautet, die angeschlagenen wallonischen Sozialisten handelten aus wahltaktischem Kalkül. Mag sein, doch solche Überlegungen spielen auch bei anderen eine Rolle. Um die Unterstützung eines Parteitags und seine Zukunft als SPD-Chef zu sichern, flog Gabriel kurzentschlossen nach Kanada - zu freundlichen, aber weitgehend ergebnislosen Gesprächen.
Alles anders unter Trudeau?
Möglich wurden derlei Manöver, weil Kanada mit dem linksliberalen Posterboy Justin Trudeau neuerdings einen sehr europafreundlichen Premier hat. Das erklärt allerdings noch nicht das Maß, in dem Ceta-Befürworter das Land nun zum geradezu idealen Partner verklären, bei dem jegliche verbleibende Bedenken übertrieben erscheinen.
Auch in Trudeaus Kanada gibt es noch Großkonzerne mit bedenklichen Umweltpraktiken wie der Teersandgewinnung. Es gibt eine Fleischindustrie, deren Exporte nach der Befürchtung von Experten die Preise in Europa weiter drücken werden. Und es gibt spezialisierte Anwaltsfirmen, die die Interessen von Investoren auch vor dem neuen Investorengericht durchsetzen können. Dieses bleibt trotz aller Nachbesserungen eine Paralleljustiz, die bislang auch der deutsche Richterbund ablehnt.
Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette ist also nicht ganz allein, wenn er jetzt weitere Nachbesserungen am Investorenschutzsystem und Garantien für die heimische Landwirtschaft fordert. Dabei betont Magnette, er sei "kein Botschafter der Globalisierungsgegner, ich will eine Einigung".
Das sehen viele Gegner von Ceta und seinem US-Pendant TTIP anders. Ihr Nein schien von Anfang an weitgehend unabhängig davon, ob die Abkommen nachgebessert werden. Gestützt wird diese Haltung von Nichtregierungsorganisationen und Politikern, die TTIP und Ceta auch als ideale Themen zur Mobilisierung von Spendengeldern und Wählerstimmen entdeckt haben. Dabei riskieren sie, Applaus von jenen zu bekommen, die weniger die Sorge um Verbraucherschutz oder Umweltstandards treibt als vielmehr Verschwörungstheorien und ein dumpfer Nationalismus.
Gerade solche Kreise aber dürfen sich bestätigt fühlen, wenn die Wallonen ihr Veto jetzt allein wegen des hohen Drucks aufgeben sollten. Auch deshalb sollten sich die Beteiligten auf weitere Nachverhandlungen einlassen. Bislang haben die Ceta nur genützt.
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